Oberst Markus Reisner ist seit Ausbruch des Ukraine Kriegs zum militärischen Kriegserklärer geworden. Regelmäßig ist er in den Sendungen des ORF zu Gast und gibt seine Meinung zum besten. So sagte er beispielsweise, dass wir uns längst im Krieg mit den Russen befinden. Bislang seien es zwar noch Drohnenattacken und Flugraumverletzungen, der hybride Krieg habe aber längst auch Österreich erreicht.
Er erklärte, was damit gemeint ist:
"Wenn es um den Informationsraum geht, sind Sie das Hauptziel des Gegners", sprach er das Publikum direkt an. "Sie bilden sich eine Meinung. Der Gegner versucht Ihnen diese Meinung schmackhaft zu machen. Und da wird es natürlich interessant. Denn die Absicht des Gegenüber ist es, die Bevölkerung dahingehend zu beeinflussen, dass es den Gegner gar nicht als Gegner sieht, sondern sich denkt: Naja, man muss die auch ein bisschen verstehen."
Den Gegner auch ein bisschen verstehen – das ist also Krieg?
Und wenn man die Möglichkeiten einschränkt, die Sichtweise des Gegners zu verstehen - wenn man z.B. den Internet-Auftritt von RT (Russia Today) oder 'Sputnik' verbietet, russland-freundlichen deutschen Journalisten wie Thomas Röper oder Alina Lipp die Bankkonten sperrt und die Einreise in die EU verweigert und 'Russlandversteher' wie Ulrike Guerot oder Gabriele Krone-Schmalz prinzipiell von Talkshows oder Interviews ausschließt – das wäre dann Verteidigung, die uns den Frieden bewahrt?
Ich denke nicht. Was Oberst Reisner hier als hybride Kriegsführung verteufelt, kann man auch als Versuch Russlands verstehen, die Zensur zu umgehen und der westlichen Propaganda russische Propaganda - oder neutraler ausgedrückt, die russische Sichtweise – zumindest auf Umwegen nahe zu bringen. Etwas, das nicht nötig wäre, wenn unsere Medien nach den Grundlagen eines ausgewogenen Journalismus arbeiten würden, der auch die Gegenseite zu Wort kommen lässt.
Brandgefährlich ist Reisners Argumentation auch insofern, als alle Personen, die in den sozialen Medien versuchen, das Manko der einseitigen Sichtweise auszugleichen, damit gezielt unter Verdacht gestellt werden, sie seien Teil dieser 'feindlichen hybriden Kriegsführung'. Entweder gekauft oder prinzipiell antiwestlich und antidemokratisch eingestellt. Und bald schon könnten sie als Spione, als Schläfer, getarnte Terroristen, als anti-deutsches oder anti-österreichisches Gesindel gejagt werden.
Damit wird der Boden bereitet für die nächste Eskalationsstufe. Für den nächsten Schritt in den Krieg.
ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz, der gestern glücklicherweise einen russischen Drohnenangriff im ukrainischen Kriegsgebiet überlebt hat, sieht die Gefahren unserer eigenen westlichen Medienpolitik übrigens ganz ähnlich. Er gehört zur Minderheit jener Journalisten, die mutig genug sind, weiterhin ihre altbewährte Art des ausgewogenen Journalismus beizubehalten.
Auf einem Medienkongress, der kürzlich in Hohenems stattfand, sagte er auf die Frage, was er zum Verbot des russischen Senders RT durch die EU hält, folgendes:
"Ich glaube, dass das Prinzip sein sollte, in westlichen Demokratien im Zweifel für die Freiheit und nicht für die Zensur einzutreten."